Amgeregt durch einen Beitrag auf Mastodon, habe ich ein paar Zeilen geschrieben, um sie aus meinem Kopf zu bekommen. Der Prompt war eine Seite aus einem Buch: „Schreibe hier eine Kurzgeschichte, wie die Menschheit deiner Meinung nach zugrunde geht.„
„Es ist Zeit.“Der alte Mann schaute auf. Vor ihm stand eine große Gestalt in einem schwarzen Mantel. Unter der Kapuze erkannte er einen Skelettschädel, der ihn anschaute. Zumindest glaubte er, dass die leeren Augenhöhlen auf ihn gerichtet waren.
„Ich habe auf dich gewartet“, antwortete er. „Du hast dir viel Zeit gelassen.“
„Ich bin immer pünktlich“, sagte das Skelett.
„Ich weiß. Ich meine nur..“ Der Mann verstummte und blickte sich um. Vor ihm lagen die Ruinen einer Stadt, die langsam von der Natur zurückgeholt wurde. Auf den Straßen, auf denen früher einmal sechs Autos nebeneinander gefahren waren, wuchsen Bäume. Vögel zwitscherten.
„Das ist also das Ende.“
„Was meinst du?“, antwortete das Skelett.
„Na ja. Seit zehn Jahre und einhundertundsieben Tagen bin ich alleine. Ich habe die Tage gezählt, weißt du? Die Tage, seit er gestorben ist. Die Tage, seitdem ich der letzte Mensch bin. Ich habe auf dich gewartet. Aber ich wollte trotzdem nicht gehen.“
„Kaum jemand will das.“
„Es war auch noch nie jemand der letzte Mensch der Welt, würde ich meinen.“
„Das stimmt. Du bist der erste letzte Mensch.“
„Siehst du. Es hatte keinen Wert mehr, hierzubleiben. Und doch. Und doch wollte ich es.“
„Jedes Leben ist es wert, gelebt zu werden. Und jedes Leben endet.“
„Ich weiß.“ Nachdenklich schaute er auf die immer grüner werdenden Hochhäuser. „Wie geht es jetzt weiter?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Ich hole dich nur ab. Wo du hingehst, ist nicht meine Sache.“
„Nein, nein. Ich meine, mit dem hier.“ Er deutete vor sich. „Was passiert jetzt mit der Welt.“
„Was soll mit ihr passieren? Es geht genauso weiter, wie gestern. Oder vorgestern. Sie wird nicht merken, dass du weg bist.“
„Vermutlich nicht.“Ein Vogel landete in einem Nest, das er sich in einem Fenster neben ihm gebaut hatte. „Wir Menschen haben es ganz schön verbockt, oder?“, fragte er das Skelett. „Ich habe befürchtet, dass wir die Erde zerstört hätten.“
„Dazu seid ihr nicht in der Lage. Die Natur wird sich immer erhohlen. Auch von den Menschen.“
„Ich wünschte nur, wir hätten sie besser behandelt. Aber dazu ist es zu spät. Natürlich. Vielleicht schafft es die nächste Zivilisation. Es wird doch eine geben, oder?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nur, was ist und was war. Nicht, was sein wird.“
„Und was wird mit dir? Immerhin bin ich der letzte Mensch. Oder war es“, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
„Bist. Aber wir sollten gehen. Kommst du?“
Der alte Mann streckte dem Tod die Hand entgegen. „Wenn du mir beim aufstehen hilfst, bitte.“